Vom 6. bis 8. August war ich mit Helga und Roland in Jork im “Alten Land”. Wir haben im Hotel Altes Land residiert und radelten 3 Tage durch das schöne Obstanbaugebiet und haben viele schöne Eindrücke gewonnen.

Besiedlung vor dem Deichbau

Die Altländer Marsch wurde schon früh von Menschen besiedelt, auch wenn es keine schriftlichen Aufzeichnungen darüber gibt. Funde aus der Steinzeit in Nincop und aus der Bronze- und Älteren Eiszeit in Steinkirchen und Grünendeich deuten darauf hin. Später entdeckte Funde lassen darauf schließen, dass hier elbgermanische Sueben lebten.

Vor der Eindeichung war das Hochland des Alten Landes nur von sächsischen Siedlern bewohnt. Dies wird durch 13 Siedlungen mit dem Namenssuffix “-fleth” deutlich. Zu dieser Zeit war der sumpfige Bruchwald des Sietlandes unbewohnbar. Das Überschwemmungsgebiet der Elbe wurde für extensive Viehzucht und Holzgewinnung genutzt, während die Menschen wahrscheinlich Urlaub im idyllischen Alten Land genossen.

Eindeichung

Mit dem Bau der ersten Deiche im Kehdinger Land um das Jahr 800 begann eine Veränderung im Flussgebiet der Elbe, die auch zu einem höheren Wasserstand führte. In dieser Zeit entstanden die ersten gemütlichen Wurten. Die damalige Lebensweise war geprägt von idyllischen Einzelhöfen, die verstreut entlang der Prielen und Flüsse lagen und über Wasserwege miteinander verbunden waren. Jeder Hof hatte direkten Zugang zu einem malerischen Priel oder Fluss und besaß eine eigene Bootsstelle. Ein ausgedehntes Netz von Landwegen existierte damals nicht, was die malerische Ruhe und Abgeschiedenheit dieser Gegend betonte. Die Bewohner genossen wohl die entspannte Atmosphäre am Wasser und in der Natur, als wäre es immer Urlaubszeit.

Die Hollerkolonisation brachte moderne holländische Spezialisten und Siedlungsunternehmer ins Spiel, was der Region ihr charakteristisches Flair verlieh. Neue Verwaltungsstrukturen, Gemeinden und landwirtschaftliche Betriebe entstanden, die bis heute einen Teil ihrer einzigartigen Tradition bewahrt haben. Die Bauern, die auf ihrem eigenem, von ihnen kultivierten Land lebten, entwickelten einen selbstbewussten und unabhängigen Lebensstil, der durch die Kolonisierung aus Holland inspiriert war. Der Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn dieser Gemeinschaft waren entscheidend für die lebenswichtige Deichverteidigung.

Die Kolonisierung des Alten Landes begann in Hollern im Osten von Stade in den 30er Jahren des 12. Jahrhunderts und breitete sich östlich über Lühe und Este bis nach Nincop und Francop aus. Die Siedlungen und Felder der Hollerkolonien wurden systematisch angelegt, geschützt durch Deiche vor den Fluten der Elbe und ihrer Nebenflüsse. Die Region wurde in Polder aufgeteilt, jeder von Deichen umgeben.

Die erste nachweisbare befestigte Straße verband Jork mit Borstel entlang des Zesterfleets, was heute als idyllische Route entlang des Am Gräfengerichts und der Borsteler Reihe bekannt ist, perfekt für einen entspannten Urlaubsausflug.

Entstehung der Reihendörfer

Mit dem Deichbau wurde das bisher bestehende Landschaftsbild verändert. Schnurgerade Gräben, die die Flächen in gleichbreite Streifen (Beete) unterteilten, dienten zur Entwässerung und gleichzeitig als Transportwege. Die vorhandenen Priele wurden zum Teil verfüllt oder begradigt und in das neue Entwässerungssystem eingebunden.

Damit veränderte sich auch die Siedlungsform. Die Einzelhöfe in verstreuter Lage wurden aufgegeben, soweit sie sich nicht in das neue System einfügten. Gesiedelt wurde nun unmittelbar hinter den neuen Deichen. Am Anfang der Beete stehen die Fachhallenhäuser mit der Giebelseite zum Deich oder zum Graben. Die Wirtschaftsgebäude stehen in gleicher Ausrichtung dahinter oder zurückliegend daneben.
Entlang der Deiche von Lühe, Este und Elbe folgt die Besiedlung dem leicht geschwungenen Fluss- und Deichverlauf, wodurch abwechslungsreiche Raumeindrücke entstehen. Im Bereich Jork und Ladekop entstanden zwei Reihendörfer entlang von schnurgeraden 3 bis 3,5 km langen breiten Gräben.

Anders entwickelte sich die Bebauung in den Ortskernen von Borstel, Jork und Estebrügge. Hier siedelten sich um die Kirchen herum Handwerker, Schiffer und Händler an. Dadurch entstand hier ein eher kleinstädtisches Gepräge (Estebrügger Straße in Estebrügge und Bürgerei in Jork).

Entwicklung bis heute

Diese Verhältnisse änderten sich bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts nur wenig. Mit dem Fortschritt in der Technik und steigenden Bevölkerungszahlen veränderte sich auch das Erscheinungsbild der Orte. Wurden bisher die Gebäude aus den in der Umgebung zu gewinnenden Baumaterialien Holz, Ziegel und Reet errichtet, so ist ab ca. 1860 ein Wandel vom Fachwerkbau zum Massivbau festzustellen. Ab 1880 werden Bauernhäuser nur noch vereinzelt in Fachwerk errichtet. Massive Ziegelaußenwände, teilweise mit Putzverzierungen und später auch reine Putzbauten treten an seine Stelle. Für die Dacheindeckung werden vermehrt Ziegelpfannen, oder auch Biberschwanz- oder Schiefereindeckungen verwendet. Das früher einheitlich gestaltete Bauernhaus unterteilt sich zunehmend in ein repräsentatives Vorderhaus und ein eher zweckmäßig – nüchtern gebautes Hinterhaus mit dem Stallteil. Heute sind bei landwirtschaftlichen Hofstellen Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude völlig getrennt. Die Wohnteile unterscheiden sich nicht mehr von sonstigen Einfamilienhäusern. Seit etwa der Jahrhundertwende entstehen zwischen den Hofstellen auch reine Wohnhäuser. Die Verfügbarkeit aller Baustoffe in allen Regionen des Landes und die immer schneller wechselnden Moden haben auch in Jork Spuren hinterlassen. Gebäude mit Betonfassaden, Kalksandsteinen und Flachdächern stehen in bunter Reihe neben historischen Fachwerkhäusern mit Reeteindeckung und drohen das eindrucksvolle Bild dieser von Menschen geschaffenen Kulturlandschaft zu verwischen.

Und hier ist das Video dazu auf YouTube: Radfahren im Alten Land